Strukturale Kapitalismuskritik #4, Geistiges Eigentum
Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise
der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung. Die Art und
Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert - dass Medium, in dem
sie erfolgt - ist nicht nur natürlich sondern auch geschichtlich bedingt.
(Walter Benjamin)
Die Erfindung des Non Fungible Token ermöglicht es an sich Unverkäufliches zum Handelsobjekt zu machen. Eine Fiktion wird zur Ware. Ein schönes Beispiel für den Erfindungsreichtum der
Marketingexpertinnen aus Nichtvorhandenem Profit zu generieren. Im Fall bereits musealisierter Kunstwerke bleibt das Objekt zwar im Besitz der Allgemeinheit, nur ein digital, flüchtig-
immaterielles Abbild wird zum NFT, und kann als solches gegen Geld in Privatbesitz übergehen. Eine Art Gelddruck-Maschine auf dem Rucken der Kunst. Der Markt selbst bekommt endlich seine Aura,
und das "bildende" an der Kunst rückt in den Hintergrund, wenn es nicht ganz im Ozon verschwindet.
In der Arbeit "Strukturale Kapitalismuskritik #4 - Geistiges Eigentum" unternimmt Andreas Dworak den Versuch die Perversität dieser Perversion abermals zu pervertieren. Der Spruch "Geistiges
Eigentum ist Diebstahl", angelehnt an den Satz des französische Philosophen Pierre Prouthon "Eigentum ist Diebstahl" wird in künstlerisch gestalteter Form als NFT feilgeboten. Der Hintergrund des
Schriftblocks zeigt, stark verfremdet, den Brilliantentotenschädel Damien Hirsts. Das Projekt versteht sich dabei als eine Paraphrase des Kampfes gegen die Windmühlen bei Cervantes.
Zur Auswahl des Spruches und dessen Relevanz einige Zitate aus der von Berthold Brecht losgetretenen Diskusion zum Thema Plagiat, welche in den 1920er Jahren die Kunstwelt bewegte:
Folgerichtig ist es „selbstverständlich“, dass, das geistige Besitztum auf keine Weise mehr zu schützen (ist), die Frage ist nur, ob ein gesellschaftliches System gefunden wird, das Plagiate
verwerten kann. (Geistiges Besitztum, S. 322)
Brecht reagierte auf die Anschuldigungen lapidar mit der folgenden Erklärung (und rief mit dem letzten Satz einen Sturm der Entrüstung hervor):
Eine Berliner Zeitung hat spät, aber doch noch gemerkt, daß in der Kiepenheuerschen Ausgabe der Songs zur „Dreigroschenoper“ neben dem Namen Villon der Name des deutschen
Übersetzers Ammer fehlt, obwohl von meinen 625 Versen tatsächlich 25 mit der ausgezeichneten Übertragung Ammers identisch sind. Es wird eine Erklärung verlangt. Ich erkläre also
wahrheitsgemäß, daß ich die Erwähnung des Namens Ammer leider vergessen habe. Das wiederum erkläre ich mit meiner grundsätzlichen Laxheit in Fragen geistigen Eigentums (Eine Erklärung Brechts,
S. 315 f.)
Geistiges Eigentum ist eben so eine Sache, die in Schrebergärtchen und dergl. Angelegenheiten gehört. (S. 315)
Andreas Dworak
andreasdworak.at
ad.dworak.gmail.com